„Jetzt haben wir so viele Maßnahmen ergriffen, so viele Workshops mit unseren Mitarbeitern durchgeführt, unsere Unternehmensmission neu gefasst, Kunden und Lieferanten eingebunden und dennoch erscheinen die Veränderungen nicht nachhaltig zu sein. Irgendetwas haben wir nicht beachtet oder gar falsch gemacht.“ So oder ähnlich hören wir oft Klagen aus der Unternehmensleitung unserer Mandanten. Viele Veränderungs-Projekte scheitern. Einige werden nur halbherzig gestartet, anderen geht die Luft der Begeisterung auf der Hälfte des Weges aus und manche laufen gar über Jahre, ohne dass man dem vereinbarten Ziel merklich näherkommt. Daher gilt für für die Unternehmensleitung zuerst: Am Ball bleiben!
Zwischen 50 und 70 Prozent aller Veränderungs-Projekte scheitern, die meisten bereits in der Anfangsphase. So das Forschungsergebnis von John P. Kotter, einer Koryphäe auf dem Gebiet des Veränderungsmanagements [1]. Verantwortlich für die niedrige Erfolgsquote sind hauptsächlich zwei Faktoren:
(a) Der Widerstand gegen die Veränderung unter den Mitarbeitern
(b) Das Zurückfallen in alte Muster
Der Widerstand gegen die Veränderung unter den Mitarbeitern
„Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung“, sagte schon Heraklit von Ephesus. Aber wir Menschen sind „Gewohnheitstiere“ und richten uns zu gerne in der Komfortzone ein. Dinge, die wir kennen, lieben wir deshalb, weil sie so bequem sind und schon immer geholfen haben. Neues ist oft unbekannt und wird deswegen zuerst negativ besetzt. Die Veränderungsbereitschaft durchläuf nach Elisabeth Kübler-Ross [2] verschiedene Phasen des Widerstands, führt aber bei konsequentem Umgang zu einem Committment.
Das Zurückfallen in alte Muster
Schon in der Zeit meiner Jugendarbeit und auch als junger Ingenieur habe ich dieses Verhalten kennen gelernt. Wie groß war die Begeisterung nach dem Besuch von Seminaren oder Weiterbildungskursen, das neu Gelernte anzuwenden und anderen Menschen davon zu erzählen. Aber nach kurzer Zeit flachte die Begeisterung ab, da die alte Arbeitsweise im Kreis der Kollegen weniger Widerstand verursacht hat. Und manchmal wurde man sogar als „seminargeschädigt“ tituliert. Ohne Unterstützung machte das Neue einfach keinen Spaß. Deshalb ist an diesem Punkt Kreativität und vor allem ein stringentes Führungsverhalten gefragt.
Nicht die Technik, sondern der Mensch stellt also das größte Hindernis für den Wandel dar. Ausgehend von dieser Erkenntnis entwickelte Kotter 1996 das 8-Stufen-Modell. Die Theorie zeigt acht Phasen des Veränderungsmanagements auf und gibt Führungskräften Tipps an die Hand, wie sie Veränderungen erfolgreich vorantreiben. Im Mittelpunkt des Modells steht die Kommunikation – von Mensch zu Mensch. Nur wenn alle acht Stufen der Veränderung durchlaufen und von Führungskräften intensiv begleitet werden, können Veränderungen in Unternehmen Erfolg haben, so die Theorie. [3]
Im Folgenden setzen wir uns mit den acht Phasen von J. P. Kotter kurz auseinander und zeigen auf, wie sie für erfolgreiches Veränderungsmanagement genutzt werden können.
1. Dringlichkeitsbewusstsein (Sence of Urgency) schaffen
Erzeugen Sie sowohl unter den Führungskräften als auch unter den Mitarbeitern ein Bewusstsein für die Dringlichkeit des Wandels. Entwickeln Sie Szenarien, die eintreten können, sollte sich keine Veränderung vollziehen. Diskutieren Sie mit ihren Führungskräften und Mitarbeitern offen und bringen Sie starke Argumente vor. Aber vermeiden Sie es, Angst zu erzeugen.
2. Führungskoalition aufbauen
Bauen Sie ein gutes Führungsteam auf, indem Sie richtungsweisende und „open minded“ Personen für Ihre Idee gewinnen und unter der Flagge der Veränderung zusammenbringen. Stellen Sie sicher, dass Sie einen guten Mix von Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen und mit verschiedenen Kompetenzen haben. Hegen Sie dieses Team, das ihnen als Keimzelle und Multiplikator im Veränderungsprozess dient.
3. Vision und Strategie entwickeln
Einwickeln Sie eine starke Vision und konkrete Strategien, mit denen Sie das Ziel erreichen wollen. Ohne eine klare und eindeutige Vision wird sich jeder seinen eigenen Teil dazu denken oder unliebsame Aspekte ausblenden. Kommunizieren Sie diese in einer gut vorbereiteten und starken Rede. Eine klare Vision muss in zwei Minuten kommuniziert werden können. Dabei muss sie nicht nur verstanden werden, sondern auch Interesse und idealerweise Begeisterung wecken.
4. Die Vision kommunizieren
Steter Tropfen höhlt den Stein: Scheuen Sie sich nicht, die Vision gegenüber den Führungskräften und den Mitarbeitern immer wieder zu kommunizieren, man kann bei einem Veränderungsprojekt nicht zu viel kommunizieren. Jeder Kommunikationskanal sollte genutzt werden, jede Konversation sollte die Vision berücksichtigen. Jeder Betroffene des Wandels muss die Vision verinnerlicht haben. In vielen Veränderungs-Projekten können die Mitarbeiter die Vision nicht widergeben – wie sollen sie sie dann erreichen? Visualisieren Sie ihre Vision im gesamten Unternehmen. Das schafft Vertrauen und stärkt die Motivation.
5. Hindernisse aus dem Weg räumen
Auch in Ihrem Unternehmen gibt es Strukturen, die den Wandel bremsen. Werfen Sie einen genauen Blick auf den Status quo. Wenn nicht alle Barrieren entfernt werden, die der neuen Vision im Weg stehen, wird es schwer – wenn nicht gar unmöglich – die Vision zu erreichen. Die Barrieren werden Mitarbeiter bei der Umsetzung aufhalten und einige werden auf dem Weg zur Vision schon nicht mehr an die Vision glauben. Barrieren und Hindernisse, das können sowohl Personen sein (eine Führungskraft, die sich öffentlich über das Change-Projekt oder einzelne Aspekte oder Maßnahmen lustig macht) als auch Systeme, Prozesse, Tools. Haben Sie beispielsweise daran gedacht, ihre Zielvereinbarungssysteme oder ihre Planungs- und Steuerungsmechanismen auf Kompatibilität mit der neuen Vision zu testen? Erklären Sie die Zusammenhänge offen allen beteiligten und betroffenen Mitarbeitern.
6. Kurzfristige Erfolge sichtbar machen
Erfolge werden nicht zufällig erreicht, sondern müssen geplant werden. Und nichts ist demotivierender als eine lange Durststrecke. Legen Sie für den Anfang Ziele fest, die keinen hohen Aufwand und hohe Kosten erfordern (Quick-Wins). Definieren Sie auch schnell erreichbare Zwischenziele. Mitarbeiter, die diese Ziele erreichen, sollten Sie belohnen. Dadurch wächst sowohl das Verständnis für Veränderungen als auch das aktive Mittun Vieler im Unternehmen. Wenn es über einen langen Zeitraum keine Erfolge zu vermelden gibt, werden einige Mitarbeiter denken, das Projekt sei gestoppt worden oder könne nie erfolgreich werden – man habe es ja von Anfang an gewusst.
7. Veränderung weiter antreiben, „am Ball bleiben“
Bewerten Sie nach jedem erreichten Ziel, was gut gelaufen ist und was hätte besser laufen können. Aber seien Sie dabei unbedingt ehrlich zu sich selbst, Quick Wins sind wichtig und notwendig – aber sie bedeuten noch lange nicht, dass der Wandel verinnerlicht und erfolgreich umgesetzt wurde. Wer jetzt denkt, das Projekt sei auf dem richtigen Weg und der Wandel würde jetzt automatisch kommen, der irrt. Entwickeln Sie daher immer neue Ideen und Ziele und bringen Sie neue Mitarbeiter in Ihre Führungsriege. Beobachten Sie mit ihrem Team die Begeisterungskurve im Unternehmen, aber auch bei externen Mitspielern wie Kunden, Lieferanten und Banken.
8. Veränderungen in der Unternehmenskultur verankern
Sie haben alle Hindernisse und Barrieren entfernt – denken Sie jetzt auch daran, die Vision und die Veränderungen in den verbliebenen Systemen, Prozessen, Tools, Personen zu verankern. Erst wenn ihnen dies gelungen ist, kann -nach Kotter- von einem erfolgreichen Veränderungsmanagement-Prozess gesprochen werden. Neue Verhaltensweisen sollten Teil der Unternehmenswerte, Normen und Richtlinien sein. Insbesondere in den HR-Tools und HR-Systemen (z.B. Recruiting, Performance Management, Zielvereinbarungen) sollte die neue Vision verankert sein – sonst belohnen Sie über kurz oder lang wieder Verhalten, das nicht mit der Vision in Einklang steht. Machen Sie ihren Mitarbeitern bewusst, welche positiven Ergebnisse der Veränderungsprozess auch für alle gebracht hat.
Fazit
Abschließend finden Sie hier ein paar einfache aber wirksame Tipps, die es Ihnen einfach ermöglichen immer am Ball zu bleiben
- Suchen Sie sich einen Sparringspartner auf Augenhöhe, mit dem Sie regelmäßig Ergebnisse, Vorhaben aber auch Schwierigkeiten besprechen.
- Entwickeln Sie einen Ritus, in dem Sie sich täglich zu einer bestimmten Zeit mit den acht Phasen ihres Veränderungsprozesses auseinandersetzen.
- Nutzen Sie eine definierte Form, in der Sie sich Notizen zu jeder Phase machen können. Damit gehen Ihnen keine Informationen und Gedanken verloren.
- Verbinden Sie einen kleinen Gegenstand, z.B. einen Schlüsselanhänger oder Ihren Lieblingsstift mit ihrem Veränderungsprojekt, um immer daran erinnert zu werden.
- Zeigen Sie ihre Freude über jedes noch so kleine erreichte Ziel.
- Belohnen Sie sich und ihr Team bei Erfolgen. Bedenken Sie, dass eine Kleinigkeit von Herzen mehr zählt als ein groß angekündigtes Incentive.
[1] Aus Gründen der Lesbarkeit wird im vorliegenden Artikel darauf verzichtet, geschlechtsspezifische Formulierungen zu verwenden. Soweit personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Männer und Frauen in gleicher Weise, z.B. „Mitarbeiter“ statt „MitarbeiterInnen“. Dies soll jedoch keinesfalls eine Geschlechterdiskriminierung oder eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zum Ausdruck bringen.
Quellenhinweise:
[1] John P. Kotter: „Leading Change: Why Tranformation Efforts Fail”, Harvard Business Review 2000.
[2] Kubler-Ross, Elisabeth (1969): On Death and Dying, New York.
[3] https://digitaler-mittelstand.de/business/ratgeber/change-management-8-phasen-nach-john-p-kotter-7090